Stellungnahme der Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler zum Haushalt 2016 in der Gemeinderatssitzung am 8. Dezember 2015

In der Kelter in Bietigheim fand am Dienstag, 8. Dezember 2015, 18.00 Uhr eine öffentliche Sitzung des Gemeinderates mit anschließendem Bürgergespräch statt. Auf der Tagesordnung stand die Haushaltssatzung und der Haushaltsplan 2016 einschließlich der mittelfristigen Finanzplanung. Im Anschluss an diese Sitzung fand ebenfalls das „Bürgergespräch“ statt, wobei die Mitglieder des Gemeinderats, der Oberbürgermeister, der Bürgermeister und alle Amtsleiter den Bürgerinnen und Bürgern für persönliche Gespräche zur Verfügung standen.

Im Zuge dieser Gemeinderatsitzung gab der Fraktionsvorsitzende Steffen Merkle, folgende Stellungnahme der Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler zum Haushalt 2013 in der Gemeinderatssitzung ab:

Steffen Merkle

Steffen Merkle

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kessing, Herr Bürgermeister Kölz, liebe Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat, meine Damen und Herren,

eine Stadt besteht nicht nur aus Beton, Stein und Mörtel, sondern vor allem aus dem Miteinander der in ihr lebenden Bürgerinnen und Bürger. Diese Menschen, nicht die Häuser und Gebäude, sind das Fundament einer Stadt.

Das gilt umso mehr in diesen Zeiten, in der so viele Menschen in Not auf der Flucht vor Kriegen, Terror und menschenunwürdigen Lebensbedingungen nun eine vorübergehende oder dauerhafte Heimat in unserer Stadt gefunden haben.

Die Hilfsbereitschaft unserer Bürgerinnen und Bürger für diese Menschen in Not ist über-wältigend und das ehrenamtliche Engagement so Vieler zeigt einmal mehr das soziale und menschliche Gesicht unserer Stadt.

Mit der praktischen Hilfe und Unterstützung für die Flüchtlinge, mit dem Eintreten für ein-ander gibt unsere Bürgerschaft ein wirklich schönes Beispiel dafür, was möglich ist, wenn sich Menschen für ihre Mitbürger einsetzen.

Für diesen menschlichen, aber dennoch alles andere als selbstverständlichen Einsatz möchten sich die Freien Wähler zu allererst ganz herzlich bedanken.

Die Stadt sind wir alle. Je aktiver und einsatzfreudiger die Bürgerinnen und Bürger, umso lebenswerter ist die Gemeinschaft, in der wir leben.

Dieses Miteinander gilt es weiter zu stärken. Voraussetzung dafür ist ein städtischer Haus-halt, der die Grundlagen dafür legt, dass ein solches Miteinander funktioniert und sinnvoll unterstützt werden kann.

Der Entwurf dieses Haushalts für das kommende Jahr liegt uns nun vor. Wie in den ver-gangenen Jahren ist er vor allem geprägt durch steigende Personalkosten aber auch, auf-grund einer guten Konjunkturlage, durch steigende Steuereinnahmen insbesondere aus Gewerbesteuern und dem Gemeindeanteil der Einkommensteuer.

So werden wir 2016 wieder einen „Zahlungsmittelüberschuss aus laufender Verwaltungs-tätigkeit“ erzielen, der mit veranschlagten 2,57 Millionen EUR allerdings wohl geringer ausfallen wird als 2015 und daher für unser 2016 geplantes Investitionsprogamm wieder bei weitem nicht ausreicht .

Wir rechnen im kommenden Jahr mit Gesamtauszahlungen aus Investitionstätigkeit von rund 30 Millionen EUR. Hiervon sollen ca. 22 Millionen EUR in Baumaßnahmen fließen .

Schlussendlich ergibt sich ein Finanzierungsbedarf von ca. 22 Millionen EUR, der aus unseren liquiden Mittel entnommen werden muss. Laut Haushaltsentwurf wird daher unsere Liquidität von 42,5 auf knapp 21 Millionen EUR zum Jahresende 2016 sinken.

Doch Papier ist nun einmal geduldig. So kann man schon jetzt davon ausgehen, dass unsere liquiden Mittel aufgrund höherer Steuereinnahmen und geringerem Mittelabfluss im jetzt laufenden Jahr Anfang 2016 einen höheren Bestand aufweisen werden.

Fraglich ist für uns ebenfalls, ob die veranschlagten 22 Millionen für Baumaßnahmen tat-sächlich verbaut werden. In den vergangenen Jahren lagen die Ansätze und tatsächlichen Ausgaben hierfür oft weit auseinander.

Wünschenswert wäre die geplante Investitionstätigkeit auf alle Fälle. So liegt, laut einer Studie der IHK, Bietigheim-Bissingen bei den Gesamtinvestitionen pro Einwohner mit 470 EUR nur auf einem Mittelplatz in der Region. Kommunen wie beispielsweise Ludwigsburg mit 532 EUR sind wesentlich investitionsfreudiger.

Ob hierbei allerdings schon in den nächsten sechs Jahren die gesamten vorgesehenen

45 Millionen EUR für unsere Schullandschaft ausgegeben werden können und müssen, ist sicherlich fraglich und diskussionswürdig. Wir haben auch noch andere Aufgaben zu erledigen.

Meine Damen und Herren,

auch wenn in Bildung investiertes Geld ganz bestimmt gut angelegt ist, so ist es doch wieder das alt bekannte Spiel. Wie beim Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder und Kleinkinder bestimmt nun beim Umbau der Schullandschaft wieder einmal die Politik. Und wir als Kommune sollen die Kosten tragen. Der Aus- und Umbau unserer Schulen zu Ganztages- und Gemeinschaftsschulen oder der Neubau von Schulmensen wird unseren Haushalt auf Jahre hinaus stark belasten. Statt Mittel für Sanierungen zu kürzen und das Zuschussprogramm für Neubauten von Schulen herunter zu streichen, sollte unsere Landesregierung den Kommunen in weit größerem Maße unter die Arme greifen.

Ansonsten könnten unsere Finanzmittel in der Zukunft knapp werden für dringend not-wendige Infrastruktur- und Stadtentwicklungsmaßnahmen.

Insbesondere die Straßennetze, die neben den digitalen Netzen die Lebensadern unserer Wirtschaft darstellen, müssen in und um unsere Stadt herum, aber auch in der Region und im Großraum Stuttgart, dringend ausgebaut werden. Doch nicht der Individualverkehr ist das größte Problem. Massiv zunehmender LKW-Verkehr wird unsere Straßen weiter verstopfen, stark beanspruchen und noch schneller kaputt machen. Wie erst kürzlich in der Tagespresse zu lesen war, machen Erhebungen des Verbands Region Stuttgart deutlich, dass hinsichtlich wachsender Verkehrsbelastung mit teils verheerenden Prognosen in der Region zu rechnen ist.

Nicht nur aus, immer wieder genannten, ökologischen Gründen, der Verschandlung unserer Landschaft oder dem Verbrauch landwirtschaftlich genutzter Flächen, sondern insbesondere aufgrund der ständig größer werdenden Verkehrsprobleme haben wir uns mehrheitlich gegen die massive Ausweitung von Industrie- und Gewerbeflächen um Bietigheim-Bissingen herum in den letzten Monaten ausgesprochen. Unsere Fraktion ist ganz gewiss nicht gegen eine maßvolle und auch für zukünftige Generationen nachhaltige Ausweitung von Gewerbeflächen. Zusammen genommen 47ha in den Zweckverbands-gebieten Eichwald, Laiern und Ingersheim halten wir jedoch eher für übertrieben und maßlos.

Wie allerdings Demokratie funktioniert, wie Abstimmungsergebnisse respektiert werden, das werden wir nach dem Einspruch von Tamm sehen. Wird es am Ende heißen: Wir stimmen halt so lange ab, bis die Erweiterung kommt?

Meine Damen und Herren,

zuerst müssen wir unsere Verkehrsprobleme lösen, anstatt sie noch weiter zu vergrößern. Hierbei wäre auch das Land und die Region gefordert.

Fast durchweg positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung, und dies nicht nur aus Bietigheim-Bissingen sondern auch aus Tamm, zeigen, dass wir mit unserer kritischen Haltung gegenüber dem massiven Flächenverbrauch durch Gewerbeansiedlungen nicht ganz falsch liegen. Offensichtlich hat ein Wertewandel in der Bevölkerung stattgefunden. Wohlstand definiert sich heute nicht mehr nur über den Geldbeutel, zum Wohlstand ge-hört auch das Wohlfühlen. Staus, Verkehrslärm und Luftverschmutzung tragen nun einmal nicht gerade zum Wohlfühlen bei.

Zudem macht eine repräsentative Umfrage des Verbands Region Stuttgart deutlich, dass

Natur und Landschaft den Menschen in der Region besonders gut gefällt. Und diese un-bebaute Natur und Landschaft wird im Landkreis Ludwigsburg so langsam rar.

Meine Damen und Herren,

in unserer Stadt und im Landkreis Ludwigsburg haben wir mit einer Arbeitslosenquote von 3,3% praktisch Vollbeschäftigung. Hinzu kommt ein Mangel an Facharbeitern und Ingenieuren. Fast jeder, in diesen erweiterten Gewerbegebieten neu geschaffene Arbeits-platz kann daher nur durch Zuzug belegt werden. Ich frage mich, wo diese Menschen und Familien beim derzeit leer gefegten Wohnungsmarkt unterkommen sollen? Dieser bereits vorhandene und stetig wachsende Wohnungsdruck hat schlussendlich die Ausweisung neuer Wohngebiete zur Folge. Und dies mit ähnlichen Problemen und Folgen wie bei den Gewerbegebieten.

Auch kann sich bestimmt nicht jeder den Kauf einer Wohnung zum Quadratmeterpreis von 4.000 EUR oder entsprechend hohe Mieten leisten. Für viele wird der wohnortnahe Arbeitsplatz Utopie bleiben. Sie müssen in die Peripherie unseres Ballungsraumes ziehen.

Zwar haben wir in unserer Stadt mit der beginnenden Schaffung von bezahlbarem Wohn-raum die ersten Schritte in die richtige Richtung eingeschlagen. Vor dem Hintergrund steigender Zahlen von Menschen mit niedrigen Einkommen, von älteren Menschen mit geringen Renten, vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen bzw. der größer werdender Anzahl an Flüchtlingen, für die wir eine kostengünstige Anschlussunter-bringung benötigen, ist dies nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Auch hier sind entsprechende Förderprogramme von Bund und Land dringend erfor-derlich, um den seit Jahren zum Stillstand gekommenen sozialen Wohnungsbau wieder an zu kurbeln.

Meine Damen und Herren,

die eingangs erwähnte Flüchtlingsthematik, manche nennen sie auch gerne Flüchtlings-problematik, der anhaltende Zustrom von Flüchtlingen stellt nicht nur Bund und Land, sondern vor allem Städte und Gemeinden, und somit auch Bietigheim-Bissingen, vor große organisatorische und finanzielle Herausforderungen.

Der vorliegende Haushaltsentwurf für das kommende Jahr sowie das von Bund und den Ländern verabschiedete Asylpaket bietet sicherlich einen soliden Grundstock, diese Herausforderungen zu meistern. Da jedoch niemand heute sagen kann, wie sich der Zustrom der Flüchtlinge nächstes Jahr entwickeln wird, gleicht jede Prognose einer Kaffeesatz-Leserei.

Dies gilt aus unserer Sicht auch für die unbedingt notwendige Integration der Flüchtlinge. Es sind nicht alleine Fragen der Erst- und Anschlussunterbringung. Zukünftig werden uns weiter Fragen beschäftigen. Können wir dauerhaft und in ausreichendem Maße die dringend erforderlichen Sprachkurse anbieten? Kann die ärztliche Versorgung dauerhaft gesichert werden? Haben die Flüchtlinge entsprechende Kenntnisse, Ausbildung und Qualifikation, um sie in unseren Arbeitsprozess aufnehmen zu können? Kann die große Zahl an Flüchtlingen überhaupt in den Arbeitsmarkt integriert werden? Dies sind nur einige Themen, die uns alle in den nächsten Jahren beschäftigen werden. Wenn die anfangs erwähnte Hilfsbereitschaft unserer Bürgerinnen und Bürger weiter so anhält, können wir die mit dem Flüchtlingsstrom aufkommenden Folgen und Probleme auch lösen und schaffen. Wir dürfen uns aber nicht der Illusion hingeben, dass es leicht wird.

Meine Damen und Herren,

Sie sehen, es gibt einiges zu tun. Die Arbeit geht nicht aus. Unsere Fraktion hat daher in diesem Jahr auf die Einbringung neuer Anträge verzichtet. Wir warten zudem noch auf die Bearbeitung und Ausführung einiger unserer in den vergangenen Jahren gestellten Anträge und möchten der Verwaltung zunächst einmal Gelegenheit geben, diese Rückstände aufzuarbeiten. Unter anderem handelt es sich hierbei um die Ausweisung von alternativen Bestattungsmöglichkeiten wie Baumbestattungen auf unseren Friedhöfen und den Aufbau eines dynamischen Parkleitsystems an der EgeTrans-Arena. Auch wenn es schon vereinzelt Ansätze gibt, muss unbedingt weiter an unserem Ansinnen, Bebauungs-pläne verschiedener Wohngebiete zu überarbeiten, auf einen neuen, aktuellen Stand zu bringen oder gar überhaupt erst einmal auf zu stellen, gearbeitet werden.

Auch wenn vieles von außen vorgegeben und bestimmt wird, darf unsere Stadt in Ihrer eigenen Entwicklung nicht stehen bleiben. Es bedarf mehr denn je einer gesamtheitlichen und integrierten Planung für eine dynamische Fortsetzung unserer Stadtentwicklung.

Gestern Kinder- und Kleinkindbetreuung, heute Schulen, morgen Gewerbe, übermorgen Wohnungsbau und irgendwann der Verkehr – so funktioniert Stadtplanung und Stadtent-wicklung nicht. Wir brauchen eine ganzheitliche Betrachtung, in der neben den genannten auch Themen wie Kultur und Sport oder der demographische Wandel vorkommen.

Meine Damen und Herren,

wir Freien Wähler sind der Überzeugung, dass der Haushaltsplan 2016 und die mittel-fristige Finanzplanung das Fundament für diese Stadtentwicklung ist. Er ist wieder einmal mit der notwendigen Sorgfalt und Vorsicht erstellt.

Wir sind auch weiterhin schuldenfrei. Und dies bei weit unterdurchschnittlichen Steuer-hebesätzen für eine Stadt unserer Größe, unserer Infrastruktur, den Leistungen, die wir unseren Bürgerinnen und Bürgern bieten.

Unsere Fraktion stimmt daher dem Haushaltsentwurf 2016 und der mittelfristigen Finanzplanung zu.

 

Die Freien Wähler bedanken sich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die das Lebensum-feld, die Leistungen und Angebote unserer Stadt nicht nur genießen, sondern sie als Steuerzahler auch in erheblichem Umfang mit finanzieren. Wir bedanken uns bei den Betrieben in unserer Stadt, nicht nur für die Gewerbesteuer sondern auch für ihre Leistungen als Arbeitgeber.

Unser Dank gilt allen Mitarbeitenden der Stadtverwaltung sowie der städtischen Gesell-schaften für die während des gesamten Jahres geleistete Arbeit.

Meine Damen und Herren,

herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Steffen Merkle

 


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