Rede zum Haushalt 2023

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kessing, sehr geehrter Herr Bürgermeister Hanus, sehr geehrter Herr Bürgermeister Wolf, sehr geehrter Herr Dörr, sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger in Bietigheim-Bissingen, liebe Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat, meine Damen und Herren,

wie beginnt man eine Haushaltsrede am Ende des Jahres 2022, einem Jahr das so verlief, wie wir alle uns das am Jahresbeginn wohl kaum ausdenken konnten?
Am 24. Februar hat der russische Diktator Putin begonnen, die Ukraine anzugreifen. Ein Krieg in Europa, das konnte sich kaum jemand von uns noch vorstellen. Alles, was wir über Frieden und Sicherheit in Europa gedacht haben, gilt nicht mehr. Der Krieg in der Ukraine hat Auswirkungen auf Deutschland, auf Europa und auf die ganze Welt.

Während wir noch im Januar dachten, dass sich die Coronakrise ihrem Ende zuneigt und wir allmählich zur Normalität zurückkehren könnten, kam im Lauf des Jahres eine neue Krise nach der anderen auf uns zu. Wir alle sind von Energiekrise, Lieferengpässen, immer höheren Lebensmittelpreisen und der steigenden Inflation sowie weiteren Auswirkungen betroffen.

In einer solchen Lage einen Haushalt aufzustellen und dann auch zu verabschieden, ist eine Herkulesaufgabe. Viele Parameter konnten und können nur geschätzt werden. Ich spare mir die Wiederholung all der Zahlen, die bereits genannt worden sind. Unwägbar sind etliche Risiken. Ich will hier nur einige Punkte nennen. Wir wissen nicht, ob die  Gewerbesteuereinnahmen den jetzt angenommenen Betrag erreichen werden, weil wir nicht sagen können, wie sich die Wirtschaft im kommenden Jahr entwickelt. Unklar sind auch noch der Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst und die Inflationsentwicklung. Angesichts dieser Risiken sind die Grundsteuereinnahmen eine feste Größe im Haushalt der Stadt. Sicher muss diese Steuer von allen getragen werden und ja, sie ist 2021 nach jahrzehntelangem Stillstand erhöht worden. Aber es ist notwendig, solche festen Größen zu haben, um eine Kommune am Laufen zu halten. Die Freien Wähler werden daher mehrheitlich dem Antrag der CDU-Fraktion auf eine Senkung der Grundsteuer nicht zustimmen. Wir hoffen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger diese Steuer weiter solidarisch mittragen.

Klimaschutz – Handeln bevor es zu spät ist Der Gemeinderat hat im Juni dieses Jahres einen Klimaaktionsplan auf den Weg gebracht. Durch Beschluss in der Novembersitzung wurde als Zielerreichungsdatum das Jahr 2035 eingefügt. Es ist für die Freien Wähler keine Frage, dass die drohende Klimakatastrophe und der Verlust der biologischen Vielfalt eine Bedrohung für die Menschheit darstellen und wir dringend Lösungen brauchen, bevor es zu spät ist. Wir alle spüren inzwischen die Folgen des Klimawandels immer häufiger: Starkregenereignisse, Überflutungen, Stürme sowie Hitzewellen und langanhaltende Trockenheit wie im vergangenen Sommer. Mit dem Klimaaktionsplan sind wir auf dem richtigen Weg. Ein  Maßnahmenplan wird in der Sitzung in der kommenden Woche folgen und wir haben Stellen geschaffen um auch die personellen Ressourcen zu haben, diese Aufgaben voranzubringen.
Wir Freien Wähler unterstützen dies vollumfänglich. Wir bejahen auch die Anträge zu diesen Themen, auch wenn wir der Meinung sind, dass sie innerhalb des Klimaaktionsplans bereits ihren Platz gefunden haben und nicht nochmals hätten aufgegriffen werden müssen.

Schule, Kinderbetreuung und Soziales
Die jüngst veröffentlichte aktuelle Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen hat aufgezeigt, dass die Leistungen der Grundschülerinnen und Grundschüler in den letzten Jahren bundes- und landesweit zurückgegangen sind. In Baden-Württemberg verfehlt fast jedes fünfte Kind die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik.

Wir können mit unserem Handeln als Gemeinderat nur wenig für die direkte Bildung der Kinder und Jugendlichen in unserer Stadt tun. Wir können nicht den LehrerIinnenmangel  beheben und auch keine Bildungspläne ändern. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Und es ist auch klar, dass kein noch so modernes Schulhaus allein ein Garant für Lernerfolge sein kann. Bildungserfolge haben aber auch infrastrukturelle Bedingungen und moderne Schulen sind eine nicht zu unterschätzende Voraussetzung für ein zukunftsorientiertes Bildungssystem. Bietigheim-Bissingen hat mit Investitionen in Millionenhöhe in der Schulsanierung und im Schulausbau sehr viel getan: Die Sanierung der Gymnasien ist in absehbarer Zeit abgeschlossen, die Waldschule in Bissingen ist ebenso gut aufgestellt worden wie davor schon die Schillerschule und wir wollen hoffen, dass auch das nervenaufreibende Bauvorhaben namens Hillerschule inkl. Sporthalle im Frühjahr 2023 nun endlich fertig wird und damit auch dort gute Voraussetzungen für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte geschaffen sind.

Die Kinderbetreuungssituation in der Stadt ist für viele Eltern ein großes Problem. Durch den Personalmangel in den Kindertageseinrichtung konnten im vergangenen Jahr nicht überall durchgehend die Betreuungszeiten eingehalten werden. Von den Familien, die keinen Platz erhalten hatten oder lange Zeit mit ungewissem Ausgang auf eine Zusage warten müssen, ganz zu schweigen. Wir sollten nicht vergessen, meine Damen und Herren, dass dabei oft auch die berufliche und/oder finanzielle Zukunft von Familien auf dem Spiel steht, wenn die Kinderbetreuung nicht zuverlässig gesichert ist. Wir Freien Wähler haben in diesem Zusammenhang zwei Anträge gestellt. Zum einen regen wir die Einrichtung einer weiteren Naturkita auf dem Gelände Sängerhain in Bissingen an. Mit relativ geringem finanziellen Aufwand könnten dort zeitnah dringend benötigte Plätze geschaffen werden. Wir danken der  Stadtverwaltung, dass sie eine wohlwollende Prüfung zugesagt hat und hoffen auf Unterstützung für unseren Antrag durch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Mit einem zweiten Antrag drängen wir auf eine zeitnahe Ausstattung der Kindertagesstätten mit Computern und Druckern. Auch hier freuen wir uns, dass die Stadtverwaltung einen schnellen Vollzug der ohnehin schon auf den Weg gebrachten Maßnahme zugesagt hat. Wir halten die Ausstattung an sich schon für wichtig, sehen aber auch ein Mittel zur Mitarbeitergewinnung darin, wenn wir auch in diesem Punkt sehr gute Arbeitsbedingungen bieten können.
An dieser Stelle sei allen Erzieherinnen und Erziehern in unserer Stadt gedankt, die sich auch unter widrigen Pandemiebedingungen um das Wohl der Kinder gekümmert haben, die ausbilden, Qualität voranbringen usw. Ein besonderer Dank geht auch an Frau Wohlfahrt mit ihrem Team. Wir wissen, dass es eine große Herausforderung ist, immer wieder den Mangel zu verwalten.

Stadtentwicklung im Großen und im Kleinen
Mittlerweile nimmt das Lothar-Späth-Carré mehr und mehr Gestalt an und es entsteht ein baulich interessanter Stadtteil, der im vorderen Bereich nun auch noch ein Leuchtturmprojekt unserer städtischen Tochter Bietigheimer Wohnbau mit neuen Räumen für die Gesellschaft und einem großen Kinderhaus erhalten wird.
Einem Grundstücksbesitzer oberhalb dieses Leuchtturmprojektes sei gesagt, dass verwahrloste Grundstücke neben Leuchttürmen besonders hässlich aussehen. In unserem Schwabenländle war bisher Sauberkeit und ein ordentliches Aussehen ein Markenzeichen. Ich würde mich freuen, wenn dieser Wink verstanden würde.

Die weiteren wichtigen Stadtentwicklungsprojekte sind das Bogenviertel und das Elbeareal. Daran wird kontinuierlich weitergearbeitet. Allerdings muss die Entwicklung auf dem Bausektor genau beobachtet und klug gehandelt werden. Eine vergleichsweise kleine Veränderung steht mit dem Auslaufen des Pachtvertrages für das Trachtenvereinsheim im kommenden Jahr an. Wir Freien Wähler haben einen Antrag auf Entwicklung eines Nachnutzungskonzepts mit einem Biergarten und evtl. einem neuen – kleineren- Gebäude gestellt. Wir möchten eine Bewirtschaftung an dieser Stelle erhalten und danken der Stadtverwaltung, dass sie eine Prüfung zugesagt hat.

Solidarisches Handeln ist wichtiger denn je, Pandemie, Klimakatastrophe, Biodiversitätskrise, Energieknappheit und Energieverteuerung sowie Inflation – es braucht große Anstrengungen und den Zusammenhalt auch in unserer Stadtgesellschaft, um die Herausforderungen der nächsten Jahre bewältigen zu können.
Viele in unserer Stadt haben mit großer Hilfsbereitschaft Geflüchteten aus der Ukraine geholfen oder sie gar bei sich aufgenommen. Sollten noch mehr vor diesem fürchterlichen Krieg fliehen müssen, braucht es weiterhin diese Solidarität. Wir werden ggf. Hallen zur Verfügung stellen müssen und ich hoffe, dass auch die Sportlerinnen und Sportler das dann – wieder – mittragen.
Jede und jeder von uns kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten – und wir im Gemeinderat sind gemeinsam entschlossen, dieses Thema nicht mehr aus den Augen  zu verlieren und damit die gesteckten Ziele möglichst zu erreichen. Der Erhalt der Artenvielfalt, der sog. Biodiversität, kann durch naturnah angelegte Gärten gefördert werden. Jede Schotterfläche, die wieder in einen lebendigen Vorgarten verwandelt wird, ist dafür ein Gewinn. Und schließlich: alle Bürgerinnen und Bürger können ihren Beitrag zur Einsparung von Gas und Strom leisten. Neben einem dadurch reduzierten CO2-Ausstoß schont dies auch noch die eigene Haushaltskasse.

Im Namen der Fraktion der Freien Wähler bedanke ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung für ihren großen Einsatz im vergangenen Jahr. Ein besonderer Dank gilt einmal mehr Herrn Stadtkämmerer Dörr und seinen Mitarbeitenden, die mit dem Haushaltsplan 2023 trotz vieler Unsicherheiten eine solide Finanzplanung vorgestellt haben. Dank auch an die Verwaltungsspitze mit Herrn Oberbürgermeister Kessing, Herrn Erster Bürgermeister Hanus und Herrn Bürgermeister Wolf.

Ein herzliches Dankeschön gilt auch den städt. Töchtern mit ihren Geschäftsführern und allen Mitarbeitenden. Nicht vergessen möchte ich den Dank auch an alle Ehrenamtlichen für ihr Engagement in vielen Bereichen unserer Stadt.

Die Fraktion der Freien Wähler stimmt mehrheitlich dem Haushalt 2023 zu.

Ute Epple, ‚Fraktionsvorsitzende, 13. Dezember 2022

 

– Es gilt das gesprochene Wort –